Was macht einen Bösewicht böse? Wie schaffe ich es den Leser vor Furcht zittern zu lassen? Worauf muss ich beim Erschaffen achten?
Der Bösewicht, der Kontrahent, der Widersacher, der Rivale. Es gibt viele Namen für den Antagonisten und doch ist er ein schwer greifbares Wesen. Aber was macht ihn so schwergreifbar?
Bevor man sich diesem Problem widmen kann, muss festgelegt werden, was für ein Antagonist erschaffen werden soll.
Als erste muss entschieden werden, wie der Antagonisten auf den Leser wirken soll. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
- er soll Sympathien wecken
- er soll gehasst werden
Sympathien, d.h. der Leser empfindet zunächst eine Abneigung gegen ihn, da er der Rivale des Helden ist, doch je mehr er den Antagonisten kennenlernt, seine Geschichte, den Grund, warum er so wurde, beginnt er Mitleid zu empfinden oder kann sein Handeln nachvollziehen.
Diese Methode wollen viele Schreiber nicht wählen, dabei hat sie einen sehr besonderen Reiz: Der Leser gerät in ein seelisches Dilemma. Anders ausgedrückt, der Leser will auf der Seite des Helden stehen, sieht aber auch, dass der Antagonist nicht falsch handelt, es nachvollziehen kann. Eine schöne Zwickmühle also.
Hass, das kennt jeder. Sobald man die erst Zeilen liest, verabscheut man diesen Antagonisten. Hier gibt es nur ein sehr schweres Problem: wie schafft ich es, diesen Hass zu halten/schüren ohne das der Antagonist „menschlich“ wird. Wieso menschlich, das wir im späteren Teil noch genauer erläutert. Hierbei wird das typische Verhältnis zwischen Held und Bösewicht gewahrt.
Wenn man sich zwischen einer diesen „Seiten“ entschieden hat, kommt die schwere Entscheidung: Was für einen Bösewicht habe ich? Eine der Wesensfragen des glaubhaften Bösewichts. Im groben kann man sie wie folgt festlegen:
- Der Intrigant
Einer der gefährlichsten Bösewichte, die erschaffen werden kann. Denn der Intrigant ist jemand, der nicht nur denkt, sondern geschickt plant. Er selbst tritt nicht offen auf, versteckt sich hinter seinen Marionetten, die für ihn die Arbeit machen. Ein Denker und noch viel mehr. Der Intrigant überblickt, hört und versteht alles. Er ist unsagbar schwer zu täuschen und gerät man in sein Netz, bemerkt man es nicht.
Wie geht man gegen einen Intriganten vor? Einen Intriganten zu stürzen ist sehr schwer. Durch seine vielen Marionetten ist es schwer die Spur der Taten zu ihm zurückverfolgen zu können, zudem haben Intrigen zu meist die Mächte hinter sich, wodurch ihr Wort mehr zählt, als das irgendeines anderen. Lösen kann man dies nur, wenn man sein Spiel gegen ihn wendet, dazu muss jedoch jemand mit derselben Intelligenz da sein, um eine Chance zu haben.
- Der Tyrann
Er ist zumeist der Herrscher oder jemand, der Macht über andere hat (z.B. ein Dorfvorsteher in einem weitabgelegenen Dorf). Sie zeichnen sich zu meist durch ihre große Gewaltbereitschaft aus. Blut und Folter bereiten ihn sogar ein Maß an Vergnügen, das über Lust hinausgeht.
Sie festigen ihre Position durch Furcht und meist sehr mächtig (körperlich oder magischer Natur). Doch sie sind oft in ihrer Denkweise sehr kurzsichtig und denken selten über den Tellerrand hinaus. Darum begehen sie zwangsläufig irgendwann einen Fehler, der durch Hochmut entsteht.
Daher kann ein Tyrann recht „simpel“ zu Fall gebracht werden, sofern der richtige Moment kommt. Für dieses Unterfangen bedarf es jedoch entweder eines raffinierten Planes (z.B. Rebellion) oder jemanden, der mächtiger ist als der Tyrann.
- Marionette
Das sind Bösewichte, die im Namen eines anderen, höheren handeln. Wie oben genannt, muss auch hier gewählt werden, ob derjenige sympathisch oder unsympathisch sein soll. Die Marionette kann so gesehen ein Handlanger, Diener oder auch einfach nur eine Schachfigur sein.
- ungewollter Bösewicht
Das sind Antagonisten, die „glauben“ ihnen bliebe keine andere Wahl, als böse zu sein. Sie werden durch äußere Umstände in die Rolle hineingezwängt, obwohl sie im Grunde lieber anders handeln wollen. Diese Rolle kann z.B. entstehen, wenn sie die Herrschaft übernehmen müssen. Häufig versucht man dann zwar, etwas zu ändern, doch nicht immer wird dieses angenommen. Somit muss der unfreiwillige Antagonist ein zweites Gesicht auflegen, um das Land oder seine Heimat daran zu hindern sich selbst zu vernichten.
Die oben aufgeführten Antagonisten werden stark von der Entscheidung geprägt, wie er auf die Leser wirken soll. Will man den Antagonisten sympathisch erscheinen lassen, muss er menschliche Züge aufweisen. Damit ist gemeint, dass er nicht unnahbar erscheint.
Der Mann kniete vor ihm am Boden. Blutüberströmt und am ganzen Leib zitternd. Perpar seufzte schwer. Er hatte von derlei Dingen keinen Nutzen mehr. Sie brachten ihn seinem Ziel nicht näher. Und sie belasteten ihn zunehmend. War sein Weg wirklich der Richtige? Gabe es nicht vielleicht doch einen anderen?
Der fett markierte Teil im Beispiel ist eine dieser „menschlichen Züge“. Jemand der seufzt zeigt, dass ihn etwas belastet, stört oder nicht zufrieden macht. Es sind die kleinen Gesten, die den Leser spüren lassen, dass der Antagonist ganz tief in sich drin, aus der Überzeugung handelt, das richtige zu tun. Auch, dass sein Handeln hinterfragt, verleiht dem Antagonisten etwas Menschliches. Das zeigt, dass er hadert, dass er unsicher ist. Ebenfalls wird daraus klar, dass er sein Handeln zwar als Lösung sieht, aber insgeheim davon überzeugt ist, dass es auch einen anderen Weg geben könnte.
Das genaue Gegenteil ist der Antagonist, der unsympathisch sein soll. Er darf auf gar keinen Fall menschlich wirken. Keine Unsicherheit, keine Selbstzweifel. Das war er tut, ist der richtige Weg. Die dazu nötigen Handlungen werden mit Freude ausgeübt. Je mehr Schaden er damit anrichtet, umso wohler fühlt er sich.
Der Mann kniete vor ihm am Boden. Blutüberströmt und am ganzen Leib zitternd. Perpar strich über den Knauf seiner Peitsche. Die Augen weitaufgerissen schaute ihn sein neustes Opfer an. Er lächelte breit, als er das Podium hinabstieg.
„Es ist wirklich schade“, sagte er, während er mit der rechten Hand sanft den Kopf des Mannes hob, „du warst wirklich eine sehr lange Zeit nützlich.“
Der Mann wollte etwas zu seiner Verteidigung sagen, aber Perpar brachte ihn mit einem Schlag zum Schweigen.
In dieser Szene merkt man, wie sehr der Antagonist die Qualen seines Opfers genießt. Er hadert nicht, zweifelt nicht, sondern empfindet pure Freude. Das macht ihn unsympathisch.
Es gibt viele Arten einen Bösewicht böse bzw. menschlich zu machen. Eine der schwierigsten Künste ist es jedoch aus der Sicht des Bösen zu schreiben. Man muss sehr darauf achten, wie man es formuliert. Denn ein kleiner Satz und er könnte sympathisch werden.
Leichter ist es, einen Bösewicht aus der Sicht eines anderen darzustellen. Besonders wirksam wird dieses Gefühle, wenn man aus der Sicht des Opfers schreibt. Der Leser erlebt die Qualen und entwickelt unbewusst einen Groll gegen den Mann, der für die Qualen verantwortlich ist.
Aber wie jeder Charakter, ob nun Protagonist oder Antagonist, er muss, um glaubhaft zu sein, eine Vergangenheit, Persönlichkeit und auch alles andere aufweisen. Siehe dazu auch blog-e22218-Ein-Leitfaden-zur-Charaktererschaffung.html. Denn der Antagonist unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht vom Protagonisten.
Ich hoffe der Bösewicht ist nun kein mehr ganz so fremdes Wesen. Sollten jedoch noch Fragen offen sein oder ihr habt eine ganz spezielle, könnt ihr mich gerne per PM kontaktieren ;)